Leseproben

Einführung

Die Eliteschulen des Sports in Deutschland gelten als Institutionen, in denen konzentriert trainiert und gelernt wird.

Ein Blick hinter die Kulissen jedoch zeigt, wie Anspruch und Wirklichkeit vielfach auseinanderklaffen. Immer wieder muss zwischen der Laufbahn als Hochleistungssportler und einer angemessenen Schulbildung gerungen werden.

In Fallbeispielen wird erzählt, mit welchen Schattenseiten diese Sportförderung in Deutschland verbunden ist. Eine besondere Rolle nimmt dabei die Sportart Fußball mit ihren oft skrupellosen Methoden ein.

Adressaten dieses Buches sind neben den Verantwortlichen aus Sport und Schule auch sportbegeisterte Pädagogen und Eltern talentierter Kinder, die eine Eliteschule des Sports besuchen wollen.

Inhaltsverzeichnis

[…] Um es gleich vorweg zu sagen: Dieses Buch soll nicht die Memoiren eines alternden Schuldirektors beinhalten, es soll auch auf keinen Fall eine sarrazineske Generalabrechnung mit den Institutionen und Protagonisten aus Schule und Sport werden. Es soll vielmehr einen möglichst unverstellten, dabei aber durchaus auch subjektiv gefärbten Blick werfen auf den Leistungssport in Deutschland und in Berlin im Allgemeinen und auf die Eliteschulen des Sports im Besonderen. […]
[…] Die Schule bildet als Baustein in dem Verbundsystem ein eigenes Profil aus, das dem Charakter einer Spezialschule für sportlich Hochbegabte entspricht. Die Qualität einer Eliteschule des Sports macht sich daran fest, inwieweit die gewährleisteten Bedingungen den Erfordernissen für die Zielerreichung entsprechen. Als Koppelung von leistungssportlicher Förderungs- und schulischer Bildungseinrichtung stellt die Eliteschule des Sports ein für Athleten und Eltern attraktives Angebot dar.

  • Sie verkörpert sportliche und schulische Erfolgsperspektive.
  • […]
[…] Der bereits angeschlagene Ruf war nun erst einmal nicht zu retten. Charlottenburger Eltern mieden die Schule. Stattdessen reisten aus dem verkehrstechnisch günstig gelegenen Kreuzberg (U 7) ganze Schülerjahrgänge an. Das führte in den achtziger Jahren zu einer Quote von über 60% Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund. Und je mehr ausländische Schüler eingeschult wurden, desto weniger deutsche Eltern fanden den Weg an den Halemweg – ein Teufelskreis, der in Berlin leidlich bekannt ist! Mitte der neunziger Jahre stellte sich dann die Frage nach der weiteren Existenz der Poelchau-Oberschule. […]
[…] Würde Berlin denn überhaupt eine vierte solche Schule benötigen?
Unsere Antwort war klar: Natürlich!
Alle drei bereits arbeitenden Schulen, die Werner-Seelenbinder-Schule, das Coubertin-Gymnasium und die Flatow-Oberschule, liegen im Ostteil Berlins. Sie waren als Kinder- und Jugendsportschulen der DDR nach der Wende in Sportoberschulen – später Eliteschulen des Sports – umgewandelt worden. Bei Abwägung der Grundsatzfrage nach einer 4. Eliteschule in Berlin war dann entscheidend zu bedenken, dass die sportlichen Talente aus dem ehemaligen West-Berlin mit großer Wahrscheinlichkeit die drei benannten Schulen, allein aus Entfernungsgründen, nicht besuchen würden. Wollte man die „West-Talente“ also einbinden, musste man „im Westen“ etwas Gleichrangiges bieten. […]
[…] Immer wieder mussten wir uns allerdings auch mit der Frage der Eltern beschäftigen, was denn aus den Schülern wird, wenn sie keinen Leistungssport mehr treiben können oder sollen. Die Antwort darauf konnte mit dem Angebot eines Sportmanagementkurses anstelle des Trainings gegeben werden, der bei allen Beteiligten großen Anklang fand. […]

Moritz K.

[…] Die Entscheidung, Moritz nach Berlin zu geben, war eine elterliche Entscheidung in voller Erziehungsverantwortung. Aber dass einiges „schief gelaufen“ ist, war klar und sollte auch angesprochen werden.

Ich erläuterte der Runde zunächst die schwierigen Voraussetzungen, die seinerzeit im Jahre 2011 bei und wegen der Aufnahme von Moritz entstanden waren. Davon wussten beide Elternteile gar nichts. Im Gegenteil wollte der Verein Moritz eigentlich im Schul- und Leistungssportzentrum unterbringen, Frau K. bestand aber auf einer Aufnahme an der Poelchau-Oberschule.

Wir unterhielten uns dann angeregt über die Klassifizierung „Jahrhunderttalent“ – zur Erinnerung, so wurde uns Moritz vonseiten der Schulbehörde angekündigt. Man war sich einig, dass dies auf einen 11-jährigen Fußballspieler bezogen wohl ein bisschen „zu dick aufgetragen“ war. […]

[…] Leider wird diesem Brandenburger Modell in Berlin nicht gefolgt. Weder die Sportorganisationen, noch die Bildungsverwaltung, noch die zwei anderen Eliteschulen des Sports favorisieren den Brandenburger Weg. Seriöserweise muss allerdings erwähnt werden, dass die Evaluation dort noch aussteht und, nach Auskunft der Beteiligten, „auch nicht alles Gold ist, was glänzt“. Fest steht aber auch, dass die großen sportlichen Erfolge der Brandenburger Athletinnen und Athleten eine klare Sprache sprechen!

Für unsere Schule gilt, dass wir den Bildungsauftrag des Schulgesetzes überaus ernst nehmen und meinen, durch eine stärkere Aufgabenverteilung hin zur Schule, weg vom Sportverband/-verein, diesem eher gerecht zu werden. […]

[…] Es blieb kaum Zeit für die notwendige Koordinierung mit uns als Partnerschule, Entfremdung setzte ein – Unzufriedenheit auf beiden Seiten tat ein Übriges.

In dieser Zeit erhielt die bis dahin alltagstauglich gestaltete Kooperation einen dicken Knacks! Es wurde bekannt, dass Trainer des Partnervereins potenziellen Eltern abrieten, unsere Schule zu besuchen. Auch gab es das Gerücht, Hertha BSC wolle nun eine eigene Sportschule aufmachen.

Natürlich haben wir als Schule immer wieder versucht, mit den Trainern des Vereins in Kontakt zu treten. Das gelang nur partiell. So hatten wir auch wenig Gelegenheit, unsere pädagogischen Auffassungen zu erläutern und ggf. mit den Trainern abzustimmen. […]

Das „Drop-Out-Syndrom“

[…] Es zählt zu den seit langem ungelösten Problemen des deutschen Leistungssports, dass die „Drop-out-Quote“, nämlich die Quote der jungen Menschen, die den Leistungssport „an den berühmten Nagel hängen“, viel zu hoch ist. Wir sind die „Weltmeister der Kinder und Junioren“, dann bröckelt es!

Bei näherer Betrachtung stellt man dann fest, dass sich vor allem im Bereich der 15-,16-,17-Jährigen zu viele Athletinnen und Athleten vom Leistungssport verabschieden. Neben entwicklungsbedingten Gründen spielen hier sicher auch strategisch-psychologische Fehlentwicklungen eine nicht unbedeutende Rolle. Sie lassen sich mit dem Slogan „Immer früher – immer schneller – immer mehr“ beschreiben. Viel zu früh – das zeigt sich zum Beispiel in der Sportart Moderner Fünfkampf zunehmend deutlich – werden die Jugendlichen in die nationale und internationale „Sportwelt“ geschickt. Als 13-Jähriger bei Europameisterschaften, als 14-Jährige Deutsche Meisterin, neuerdings auch Starts bei Jugendolympiaden irgendwo auf dieser Welt. Wohin soll das führen, wenn die Athletinnen und Athleten schon im Kindesalter zu solchen Highlights pilgern, wo bleibt da der Anreiz für Weiteres, für „Höheres“? […]

Hilflose und überforderte Schulaufsicht

[…] Als Schulrat Bodenständig merkte, dass er nicht weiter kam, wechselte er die Attitüde. Jetzt hieß es: „Wenn Sie nicht einwilligen, werden wir mal sehen, was wir noch so haben …“

Ich beendete das Gespräch.

Auch anwaltliche Interventionen bezüglich des „Tatvorwurfs“ brachten die Bildungsverwaltung nicht davon ab, das Verfahren weiter zu verfolgen. Selbstverliebt beharrte man auf den Vorwürfen. Schließlich kam es zur Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, wo die Behörde in allen Bereichen verlor. Der Richter zeigte völliges Unverständnis für das Verhalten der Schulbehörde. Er sagte (sinngemäß) mit Blick auf die Behördenvertreterin: „Was muten Sie Ihrem Beamten eigentlich zu – wie soll der seine Entscheidungen an Bestimmungen orientieren, die ihm gar nicht vorliegen?“

Dieses Disziplinarverfahren hatte sich über mehrere Jahre hingezogen, hat ungemein viel Kraft und Zeit geraubt und war entscheidend dafür verantwortlich, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit von da an nicht mehr gegeben war! […]

Eliteschule des Sports in der öffentlichen Kritik

[…] Im Februar 2012 herrschte in den Leitungsetagen von Landessportbund und Olympiastützpunkt Berlin, aber auch in der Schulverwaltung helle Aufregung. Was war geschehen? Britta Steffen, Vorzeigeschwimmerin der Eliteschule des Sports, Goldmedaillengewinnerin in Peking, hatte es gewagt, einem Journalisten etwas Kritisches über ihre alte Schule, die ehemalige Werner-Seelenbinder-Schule, in die Feder zu diktieren.

Der fragte unter anderem: „Warum gibt es kaum Nachwuchs, der konkurrenzfähig ist?“ Ihre Antwort:

„Ich finde die Grundversorgung, die ein Sportler zum Schwimmtraining braucht, ist nicht mehr gewährleistet.“ […]