Ein bequemes System macht bequem
Bild: Peter Ruge Architekten GmbH
Wie kam es dazu?
„Unattraktiv, ineffizient und zu teuer!“
Diese Einschätzung hört man – allerdings meist hinter vorgehaltener Hand – allseits, wenn das Gespräch auf die Eliteschulen des Sports kommt. Dabei finden sich vor allem die Schulen in den neuen Bundesländern und in Berlin in der harschen Kritik, zu Recht? Keinen Zweifel gibt es daran, dass die massive Krise im deutschen Leistungssport im direkten Zusammenhang mit der Ausbildung an den bundesweit inzwischen weit über 40 deutschen Eliteschulen des Sports steht. Sie bilden die Schnittstelle zwischen schulischer Ausbildung und organisiertem Leistungssport.
Dies wurde in diesem Buch zum Anlass genommen, sich mit deren Arbeit und Perspektive zu befassen. Es werden Ursachen und Wirkung zu ausgewählten Problemlagen rezipiert und bewertet. Dabei stieß der Autor immer wieder auf Organisationssysteme, wie beispielsweise Bildungsverwaltungen und Sportverbände, die versucht waren, ihre Aufgaben möglichst bequem zu gestalten. Das impliziert die potentielle Gefahr, dass sich nachgeordnete Institutionen – etwa Schulen – auf die Bequemlichkeit des Systems verlassen und weniger motiviert sind, effizient und innovativ zu arbeiten. Mit dem Titel „Ein bequemes System macht bequem“ soll auf diese Problematik hingewiesen werden.
Adressaten dieses Buches sind neben den Verantwortlichen aus Sport und Schule auch sportbegeisterte Pädagogen und Eltern talentierter Kinder, die eine Eliteschule des Sports besuchen oder besuchen wollen.
Leseproben
Rezensionen
Ein gutes Buch! Ein gutes Buch für alle, die sich für Sport und Sportentwicklung in Deutschland interessieren oder damit befasst sind.
Der über Jahrzehnte in die Berliner Nachwuchssport-Entwicklung involvierte, meinungsstarke und pointiert schreibende Rüdiger Barney legt eine treffende Analyse vor, die klar verdeutlicht, warum die DDR mit ihrem Sportfördersystem über die Kinder- und Jugendsportschulen (KJS) sehr erfolgreich war und warum es bis heute nicht gleichermaßen gelungen ist, es sogar zunehmend weniger gelingt, die Eliteschulen des Sports (EdS) zu Keimzellen des sportlichen Erfolges zu entwickeln.
Der Essay enthält sauber recherchierte und klare quantitative Belege für die beschriebenen Effekte und Interpretationen, wobei die Mehrheit der Daten aus dem Berliner Geschehen rekrutiert sind. Viele Zahlen werden grafisch unterstützt dargestellt.
Der Autor hat sich intensiv mit den KJS auseinandergesetzt und beklagt, dass berechtigte Kritikpunkte an den KJS, nämlich teils undurchsichtige Ein- und Ausschulungsverfahren sowie der Vorrang der leistungssportlichen vor der schulischen Ausbildung, sich bis heute an den EdS partiell wiederfinden. Letzteres versuchen einige EdS zu überwinden, indem sie das Miteinander von schulischen und sportlichen Bedürfnissen zum Thema machen. Allerdings ist eine Erfolgskontrolle dieses Ansatzes schwierig, denn eine solide Persönlichkeitsentwicklung oder Erfolge im Berufsleben lassen sich erst sehr spät nach dem Schulbesuch evaluieren.
Rüdiger Barney zitiert in seinem Essay eine Studie von 2017, nach der „… die EdS nicht mit erhöhten Erträgen in Form von Erfolgen im Spitzensport einhergeht, aber mit geringeren Bildungsabschlüssen und Berufsaussichten (der Alumni einer EdS)“. Ein vernichtendes Ergebnis!
Der Autor stellt weiter fest, dass in Berlin ein Schülerplatz an einer EdS wegen der zusätzlichen personellen und materiellen Ausstattung doppelt so teuer ist wie an einem herkömmlichen Gymnasium. Dazu kommen aufgrund einer zu geringen Auslastung wegen vorgehaltener Leistungen weitere erhebliche Kosten.
Weiterhin bedenklich für Barney ist zu Recht, dass der Anteil der Schüler an den EdS in den olympischen Kernsportarten wie Leichtathletik, Schwimmen, Rudern und Turnen sowie im Modernen Fünfkampf rückläufig ist, während die Schülerzahlen in den Sportarten, die man dem Profitum zuordnen kann, steigen: im Handball, Basketball, Volleyball, Eishockey und vor allem im Fußball.
Allein die drei Tatsachen, dass Erfolge der EdS weder im sportlichen noch im Bildungsbereich nachweisbar sind, dass die EdS-Plätze deutlich teurer als andere Schulplätze sind und dass deutliche Rekrutierungsprobleme in Nicht-Profi-Sportarten bestehen, rechtfertigt ohne Frage die vorliegende kritische Auseinandersetzung mit dem „bequemen System“ der EdS.
Wertvoll ist, dass der Autor nicht nur seine Finger in vorhandenen Wunden legt, sondern in den letzten beiden Abschnitten „Wie es besser geht“ und „Die Traumschule“ reale Möglichkeiten, Entwicklungsperspektiven und Visionen aufzeigt, in welche Richtungen positive Veränderungen sowohl für Schulen mit leistungssportlichem Schwerpunkt als auch mit der Orientierung auf Sport und MINT-Fächer gehen könnten.
Zum Lesen eindeutig empfohlen!
„Dein Buch „Ein bequemes System macht bequem“ hat mich fasziniert! Es war mir bisher nicht so bewusst geworden, dass unser Denken und Handeln so einen Gleichklang hat. Viele Passagen könnten meine Worte sein. Auf den Modernen Fünfkampf bezogen könnte man auch abwandeln: „Ein erfolgreiches System macht erfolgreich“. Es war natürlich auch nicht immer bequem, wenn wir die vielen Gespräche über meine Athletinnen und Athleten gemeinsam und auf Augenhöhe geführt haben. Durch die Sportschule war es möglich gewesen, dass die Amateursportarten auch ihre Chance bekamen erfolgreich zu sein. Das hat sich, wie Du überzeugend schreibst, bis heute leider verändert. Schade! Es war für mich bequem, im positiven und wahrsten Sinne, mit der Poelchau-Eliteschule zusammenzuarbeiten. Die Erfolge verdanken wir auch der Schule mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und vor allem Dir als Direktor. “
„Glückwunsch! Ein lesenswerter Beitrag zur Diskussion um die Eliteschulen des Sports, von dem ich hoffe, dass er zumindest in den EdS, den Verbänden und der Schul-/Sportpolitik gelesen und beachtet wird, um die Diskussion wieder in Gang und notwendige Veränderungen auf den Weg zu bringen. Schon die Abbildung auf dem Cover zeigt, wohin es gehen sollte: Nicht immer im Kreis herum in bequemen und eingeübten, zugelassenen Bahnen. Notwendig ist ein Aufbruch, ein Ausbruch, eben das Verlassen des bequemen Status quo. Dass es notwendig ist, neue Wege zu gehen, signalisiert der rote Pfeil. […] Sie weisen zu Recht auf die ungezählten Probleme der EdS hin, […] wollen aber die EdS (noch nicht) aufgeben, sie glauben an die Reformierbarkeit de EdS und wollen alle Beteiligten dazu auffordern, hier aktiv zu werden, also nicht bequem zu sein. Sie beschreiben einen „halbtoten“, teilweise vergessenen Patienten, glauben aber an dessen Heilbarkeit und schlagen erste Therapieschritte vor, um den Patienten EdS trotzdem noch zu „retten“, […] “
„Ich musste lesen: „Auch die in beiden Staaten praktizierten Sportsysteme unterschieden sich fundamental. Maß man in der DDR dem Sport, vor allem dem Leistungssport, spätestens seit den 1960er Jahren eine große Bedeutung als Ausdruck des gesellschaftlichen Fortschritts zu, wurde er in der Bundesrepublik eher als „schönste Nebensache der Welt“ betrachtet.“ Ich frage mich immer, warum diese Wortwahl, bei uns: „Schönste Nebensache der Welt“, in der DDR „Gesellschaftlicher Fortschritt“. Bei uns in der Alt-BRD waren die Worte „schönste Nebensache der Welt“ reine Propaganda gegen den DDR-Sport. Diese Worte sollten suggerieren, bei uns alles „frei“, drüben alles auf Druck des Staates. Es bedurfte 18 Jahre, dass sich der Deutsche Bundestag mit den Ursachen befasste, die aufzeigen warum die DDR-Regierung einen tollen Sport eingerichtet hatte. Natürlich waren die Erfolge dann Früchte ihrer Arbeit. […] “