__An die Schulgemeinde der Poelchau-Oberschule
Liebe Eltern, liebe Schülerinnen und Schüler, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Wenn der alte Schulleiter heute einen Brief an die Schulgemeinde schreibt muss das einen besonderen Grund haben – denn eigentlich sollte sich das „alte Eisen“ zurückhalten und „die Jungen machen lassen“!
Um es gleich vorweg zu sagen: Anlass des Briefes ist, dass ich mich zur Frage der Namensgebung unserer Schule äußern möchte und hoffe, dass die Schule sehr bald „Jesse-Owens-Gymnasium“ heißen wird …
Viele Kolleginnen und Kollegen, aber auch Elternteile sind in den vergangenen Wochen an mich herangetreten, um mit mir ungelöste Problematiken der Eliteschule des Sports, eben auch unserer Schule, zu besprechen. Das mag daran liegen, dass sie sich in meinem Büchlein „Die Eliteschule des Sports – der Königsweg?“ an nicht wenigen Stellen wiedergefunden haben. Auch liegt es wohl daran, dass an der Schule ein neuer Leitungsstil eingekehrt ist, dem nicht alle folgen mögen. Das ständige Ringen um schulische Autonomie gegen „den langen Arm“ des Sports und der Schulbehörde dauert nicht nur an, sondern wird schwieriger! Hier gilt es, wieder zu schulischer Stärke zurückzukehren!
Auch im Hinblick auf eine neue Einrichtungsverfügung herrscht große Unklarheit. Die Schule ist offiziell noch nicht aus dem Status des Schulversuchs entlassen: Hier fehlt noch die letztlich abgestimmte, nach dem Schulgesetz notwendige, Stellungnahme der Schulkonferenz. Also konnte auch die Überführung in den Status „Schule besonderer pädagogischer Prägung“ mit einer dazu notwendigen Einrichtungsverfügung noch nicht erfolgen. Im Übrigen hätte dazu die Schulkonferenz mehrheitlich zustimmen müssen. Trotz alledem steht die Schule bereits in der Liste der „Schulen besonderer pädagogischer Prägung“ verzeichnet. Das versteh‘ wer will! Das Verwaltungsgericht Berlin hat das zumindest nicht verstanden, hat den Zustand gerügt und im Falle eines Tennisschülers die bereits ausgesprochene Ausschulung wegen mangelnder Rechtsgrundlage wieder rückgängig gemacht. Juristischer Hickhack im pädagogischen Raum, ausgetragen auf dem Rücken eines Schülers – das darf nicht sein!
Auch die Lösung zur Frage des neuen Schultyps – ISS vs. Gymnasium – wird weiterhin verschleppt. Die Schulkonferenz hat sich hier 2013 eindeutig für den Typ Gymnasium positioniert. Die Behörde möchte die Integrierte Sekundarschule, also: Spiel auf Zeit!
Nun zum Schulnamen!
Allen Kolleginnen und Kollegen, die die Poelchau-Oberschule aufgebaut haben und seitdem an dieser Schule arbeiten, wird es verständlicherweise schwer fallen, sich von diesem Namen zu trennen. Da droht etwas verloren zu gehen, das ist nachvollziehbar und ernst zu nehmen!
Gleichwohl muss dem entgegengesetzt werden, dass der Name Poelchau-Schule in den 80er- und 90er-Jahren leidvoll mit negativen Ereignissen – meist Gewaltvorfällen – verbunden war. Letztlich führte das dazu, dass die Schule berlinweit einen äußerst schlechten Ruf genoss und zur Restschule zu verkommen drohte. Und, man mag es nicht glauben: Dieser Ruf, der mit diesem Namen verbunden ist, hängt der Schule bis heute an! Und dies, obwohl die Schule inzwischen zu den „Leuchttürmen“ des Berliner Schulwesens zählt!
Da ist es verständlich, wenn man den Umzug aus dem Viertel der Widerstandskämpfer (Charlottenburg – Nord) in das sporthistorisch zur Schule passende Olympiagelände mit einem neuen Namen für die Schule verbindet. Das hat auch gar nichts mit einer mangelnden Wertschätzung der mutigen Taten des Pfarrers Harald Poelchau zu tun. Vielmehr sollte eine Nachfolgeschule – möglichst in diesem Quartier -sich dieses Namens annehmen und ihn in Ehren halten!
Die Poelchau-Oberschule jedenfalls hat ihr Profil gefunden, sie hat sich dem Sport verschrieben. Da macht es Sinn, sich eine Person als Namensgeber zu suchen, die der jetzigen und folgenden Schülergeneration dafür ein Vorbild sein kann.
Die Berliner Schule kennt auch, fast ausschließlich im Grundschulbereich, Schulnamen, die sich z.B. an geografischen oder naturkundlichen Gegebenheiten orientiert (Schule an den Kastanien, Schule am Brandwerder etc.). Ein entsprechender Schulname (z.B. Schule im Olympiapark) für eine Eliteschule des Sports, die Schüler im Alter von 12 bis 19 Jahren ausbildet, halte ich für banal und für eine Oberschule unverhältnismäßig reduziert.
In der Diskussion sind die Namen von Lilli Henoch, einer in den 20er- Jahren sehr erfolgreichen Leichtathletin und von Jesse Owens, diesem überragenden Leichtathleten der Olympischen Spiele von 1936. Bei aller Wertschätzung der unbestrittenen Verdienste von Lilli Henoch – Jesse Owens hat nur wenige hundert Meter von unserer neuen Schule entfernt, im Olympiastadion, vier Goldmedaillen gewonnen. Er, ein Farbiger, hatte keine Probleme, trotz der vom NS-Regime betriebenen Rassenpolitik, den Deutschen Luz Long als seinen besten Freund öffentlich zu machen. Und er sagte über seinen Freund:
“It took a lot of courage for him to befriend me in front of Hitler. You can melt down all the medals and cups I have and they wouldn’t be a plating on the 24-karat friendship I felt for Luz Long at that moment. Hitler must have gone crazy watching us embrace. The sad part of the story is I never saw Long again. He was killed in World War II.”
(„Es kostete ihn viel Mut, sich vor den Augen Hitlers mit mir anzufreunden. Man könnte alle Medaillen und Pokale, die ich habe, einschmelzen, und sie würden nicht für eine Schicht über die 24-Karat-Freundschaft, die ich in diesem Moment für Luz Long empfand, reichen. Hitler muss wahnsinnig geworden sein, als er uns umarmen sah. Das Traurige an der Geschichte ist, dass ich Long nie mehr gesehen habe. Er wurde während des Zweiten Weltkriegs getötet.“)
Auch nach den 36er- Spielen meisterte Owens, nicht unbedingt immer vom Glück verfolgt, sein Leben, stets auf das Wohl der Mitmenschen bedacht. In der Informationsveranstaltung am 17. November berichteten die drei Experten auch darüber äußerst eindrucksvoll.
Ich bin der festen Überzeugung, dass der Name „Jesse-Owens-Gymnasium“ für unsere Schule die bestmöglichen Ressourcen ermöglicht.
Fleißig lernende und hart trainierende Schülerinnen und Schüler werden sich diesem Namen verpflichtet fühlen, engagierte Lehrerinnen und Lehrer, Trainerinnen und Trainer werden sie dabei unterstützen.
Mit den besten Grüßen verabschiedet sich im November 2014
Ihr und Euer Rüdiger Barney