Eingebrochene Schülerzahlen – Millionen in den märkischen Sand gesetzt?
(zum Artikel im TAGESSPIEGEL v. 4.4.2016 „Elite ohne Nachwuchs“ von Susanne Vieth-Entus)
von Rüdiger Barney
Da kündigen die verantwortlichen Herren mit der Dame an der Spitze der Bildungsverwaltung eine Analyse der eingebrochenen Schülerzahlen an der Poelchau-Schule an! Und geben auch schon zu erkennen, dass es wohl an der Vielzahl der Sportarten liege und im Übrigen wären ja auch die Hallen belegt und Wasserball nicht mehr so im Focus der Öffentlichkeit. Nein, meine Herren, daran liegt es nicht wirklich, das greift zu kurz! Vielmehr hat die Bildungsverwaltung mit ungeschickten und einsamen Entscheidungen der letzten Jahre zu viele grundsätzliche Fehler gemacht!
Nummer eins: Der Umzug auf den attraktiven Standort Olympiapark geschah quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit, Fakt ist: Die sportliche Infrastruktur an diesem Standort ist ideal, das kann man doch vorzeigen.
Zweitens: Das von der Elternschaft immer wieder geforderte Gymnasium als adäquater Schultyp wurde von der SPD- regierten Verwaltung aus ideologischen Gründen nicht realisiert, Fakt ist: Weit mehr aus ¾ aller Eliteschulen des Sports in Deutschland sind Gymnasien, nicht ohne Grund.
Drittens: Noch immer praktiziert man das kompromisslose Verlassen der Schule bei nachlassender sportlicher Leistung, Fakt ist: Selbst die so oft kritisierten Kinder- und Jugendsportschulen der DDR gingen bei der Ausschulung pädagogisch verantwortungsvoller um! Sehr viele Eliteschulen des Sports in Deutschland machen inzwischen Alternativangebote, etwa Sportmanagement, für diesen Schülerkreis.
Viertens: Noch immer gibt es für Schüler, die die Schule verlassen müssen, keine adäquaten „Auffangschulen“ in Berlin, Fakt ist: Derartige Schulverbünde sind in anderen Bundesländern Gang und Gebe.
Nummer fünf: Die Bildungsverwaltung und der verfasste Sport haben bisher kein auch nur annähernd funktionierendes Sichtungssystem zustande gebracht, Fakt ist: Andere Bundesländer laufen uns da immer weiter davon.
Sechstens: Bildungsverwaltung und Schulleitung haben es zugelassen, vielleicht sogar beschleunigt, dass die Sportart Fußball immer stärker an Einfluss gewonnen hat. Fakt ist: Zu viele Fußballschüler schrecken Sportler anderer Sportarten ab. Und: ein zwischen Schule und Hertha BSC geschlossener Kooperationsvertrag wird unter Verschluss gehalten, warum wohl?
Siebtens: Mit der unsäglich peinlichen Debatte um den Schulnamen und dem „ellenlangen“ Ergebnis hat man sich der Lächerlichkeit preisgeben, Fakt ist: Hinter der vorgehaltenen Hand spricht man zu recht von einem faulen, politisch gewollten und ungeliebten Kompromiss.
Achtens: Der Skandal um vermeintlich unrechtmäßig eingetriebenes Schulgeld für Tennisunterricht am Vormittag wurde öffentlich und ist gerichtsanhängig. Fakt ist: Ein offener und verbindlicher Umgang mit den betroffenen Eltern auf Augenhöhe hätte hier Vieles vermeiden helfen!
Neuntens: Die Dinge stehen und fallen mit den handelnden Personen, das ist heute keine Frage mehr! Gerade der Tagesspiegel hat in den letzten Jahren immer wieder auf die Bedeutung des Schulleiters für die Entwicklung einer Schule hingewiesen, Fakt ist: In der Personalpolitik handelt die Bildungsverwaltung eher taktisch orientiert, Voten der Basis werden weitgehend ignoriert.
All das hat dem Renommee und der Attraktivität der Poelchau-Schule geschadet und lässt die Schule in eine unbestimmte Zukunft laufen. Einbrechende Schülerzahlen sind der warnende Hinweis, es gilt nun unverzüglich umzusteuern!
Da wird durchaus schon halblaut darüber nachgedacht, die Schule noch stärker auf den Fußball zu fixieren und an Hertha BSC zu binden. Davor ist mit Nachdruck zu warnen: das käme dem Untergang der übrigen Sportarten und einer Trennung vom Status Eliteschule des Sports gleich. Außerdem darf sich eine öffentliche Institution wie Schule nicht von Vereinsinteressen, die zudem im Fußball überragend vom Geld gesteuert werden, abhängig machen.
Ein weiteres Modell, das immer mal wieder aus der Schublade gezogen wird, sieht die Poelchau-Schule als Filiale des Schul- und Leistungssportzentrum in Hohenschönhausen. Der damit einher gehende Verlust der Eigenständigkeit würde der Schule alle Spielräume nehmen und die nötige Entwicklung entscheidend hemmen.
An dieser Stelle stellt sich die Frage nach der konzeptionellen Fortentwicklung der Poelchau-Schule. Da ist das Verfassen und Weiterentwickeln eines Schulprogramms sicher hilfreich, aber nicht entscheidend. Um die Attraktivität der Schule zu erhöhen ist es viel wichtiger und brennend nötig, der interessierten Elternschaft klare Positionen zu präsentieren, klare Perspektiven für ihre Kinder aufzuzeigen. Die Eliteschule des Sports ist heute, und darin liegt der Hauptirrtum der Verantwortlichen, kein Selbstläufer mehr! Man kann nicht darauf vertrauen, dass sich alles „von alleine erledigt“, dass schon wieder „bessere Jahrgänge“ kommen werden!
Die Attraktivität einer Schule wird schon lange nicht mehr „von oben“ bestimmt, das muss die Schule, an vorderster Stelle die Schulleitung, kreativ selbst leisten. Auch die Eliteschule des Sports muss sich der Konkurrenz anderer Schulen, vor allem der Gymnasien, stellen.
Die Poelchau-Schule muss zeigen, was sie will. Sie muss sich ihrer pädagogischen Verantwortung wieder stärker bewusst werden. Sie muss eine eigene Position entwickeln und diese unter Umständen, auch wenn es schwer fällt, gegen das Bündnis einflussreicher Sportorganisationen mit den Protagonisten in der Bildungsverwaltung, mutig vertreten und umsetzen. Das sichert die Eigenständigkeit und lässt die Attraktivität wieder ansteigen.
Dann werden, so kann vermutet werden, auch die Schülerzahlen wieder stimmen! Und dann wird die Öffentlichkeit auch diese „teure“ Schule wieder akzeptieren. Anderenfalls, und das ist die dunkle Seite, wurden im Olympiapark „Millionen in den märkischen Sand gesetzt“ – und das wäre der nächste politische Skandal!